Samstag, 24. Dezember 2016

Irgendwie anders….

Hochverehrte Leserin, hochverehrter Leser,
das Datum rechts oben verrät es:   -  Ach Gott, werden Sie sagen, jetzt schnitzt sich der Eber Eberhard wieder eine Weihnachtsgeschichte aus seiner Schwarte… Weit gefehlt, dieses Jahr wird irgendwie anders. Vielleicht sagt dieser Buchtitel ja Ihnen irgendetwas; wenn nicht, sind Sie zwar nicht irgendwie anders, aber dennoch empfehle ich Ihnen dieses entzückende Kinderbuch von Kathryn Cave und Chris Riddell. Es handelt von einem kautzigen Menschen, der anders aussieht als die anderen, keine Freunde hat, alleine in einem schönen Haus auf einem Berg wohnt und irgendwann einmal einsieht, dass es sinnlos ist ,sich zu bemühen, wie die anderen zu sein, nur um akzeptiert zu werden und Freunde zu finden. Mir geht es mit zunehmendem Alter auch so, ich pflege unkonventionelles Anderssein und erlebe täglich, wie viele meiner Mitschweine und Mitmenschen offenbar viel zu viel Zeit damit verbringen (müssen), um sich an irgendetwas - eine Rolle, die zu spielen ist, eine Funktion am Arbeitsplatz, in der Gesellschaft, in der Öffentlichkeit und sogar unter Freunden und in der Familie - anzupassen. Knackt man diese Schale wie eine Walnuss unter den hölzernen Kiefern eines erzgebirgischen Nussknackers, so stellt man manchmal ganz erstaunlich die Vielfältigkeit, die Kreativität und auch den Witz und den Charme  - kurz : die Individualität - der Anderen fest, auch wenn sie ihre Rollen mit Fleiß aufrechterhalten wollen und müssen. 
Dieses Weihnachten wird auch für Viele irgendwie anders sein. Weihnachtsbäume, Bescherung und Muttis Kochorgie stehen zur Disposition, wenn zum Beispiel die Ferkel aus dem Haus sind und eigener Wege gehen oder wenn man durch vielfältige Gründe allein ist und sich fragt, ob es die penetranten Schmidt-Güldners von nebenan nicht doch besser machen, wenn sie ihre wohlgenährten Keulen unter peinlichen Camp-David-Klamotten verstecken und einen Großteil der ihnen zustehenden Tarifurlaubstage all inclusive in herrlich abgeschotteten Pauschaltouristenburgen der Zweiten und Dritten Welt über Weihnachten verbringen. Seesterne statt Zimtsterne, Lametta an der Brust eines korrupten, putschenden Staatschefs bewundern statt am Christbaum in der Eifel, in Castrop-Rauxel oder im sächsischen Limbach-Oberfrohna. Nein, nein, Kneifen gilt nicht! Weihnachten sich zu verdünnisieren (auch wenn das Frau Schmidt-Güldner in Bezug auf ihre Kleidergröße sehr gut täte) ist nicht der jahresendzeitliche Königsweg. Doch jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Da sagten schon die, die die Peking-Ente dem bayrischen Schweinsbraten vorziehen. 
Ich werde dieses Jahr – seit Langem! – wieder einmal in eine Kirche gehen. Egal, ob´s stürmt oder schneit, meinen wohligen Stall mit der Ferkelwärmelampe dafür verlassen und eintauchen in die Masse der “Schlechtgewissler“, die zumindest am Heiligen Abend vom Zweifel geplagt mangels aktuellem lutheranischem Ablasshandels dann doch den Weg in die schön geschmückten Gotteshäuser finden wollen. Ich stelle fest, dass es doch einen Zauber innehat,  zusammen mit den Menschen, die dann in der Kirche eine untereinander eigenartig vertraute Gemeinschaft bilden, schöne Weihnachtslieder zu singen. Ich stelle mir vor, dass es noch kein Jahrhundert her ist, dass die Menschen sich auf den Heiligen Abend in den Kirchen und Gotteshäusern aus ganz anderen Gründen freuten. Zumindest an diesem Tag konnte man schwere körperliche Arbeit vielleicht schon mittags beenden, wurde man  -und vor allem die Kinder  - vielleicht einmal wieder richtig satt, hoffte auch darauf, dass Väter und Brüder an den Fronten vor Verdun oder Stalingrad einen Burgfrieden mit den anderen armen Schweinen, die man Feind nannte, schlossen und vielleicht Hunger, Sorge, Lebensgefahr Zerstörung und Perspektivlosigkeit für einen Moment bei „Oh Tannenbaum“ oder „Stille Nacht“ In den Schützengräben oder zerbombten Ruinen vergessen durfte. Keine Angst, geneigte Leserin und verehrter Leser, ich werde nicht sentimental, altväterlich oder gar revanchistisch, selbst wenn dies in den Regierungsställen meines heutigen Europas wieder en vogue zu sein scheint. Aber ein Weihnachten, das bei ALDI mit Lebkuchen und Jahresendzeitschokoladenhohlkörpern schon ab Oktober logistisch aufgebläht wird, brauche ich eigentlich nicht. Mediamarkt, Weihnachtsmarkt und Christbaummarkt beginnen mit den Horden die wie Herden darüber getrieben werden mich zunehmend abzustoßen. Was zählt, sind andere Dinge. So sind Menschen, die sich eigentlich untereinander fremd sind, aber in einer Kirche zusammen singen, in diesem Moment eine starke Gemeinschaft. Eine stärkere Gemeinschaft als der Verband des Einzelhandels, der die Wochen vor dem Weihnachtsfest täglich seine kommerzielle Fieberkurve misst. Vielleicht werden unsere Kinder einmal sagen: „Geschenke hatten sie immer für uns, aber Zeit hätte ich gerne mehr mit ihnen gehabt.“. Das ist wohl das schlimmste Kompliment, was man bekommen kann. Zeit mit den Lieben, Zeit für die Lieben und die Liebe, das ist, was zählt. Und das kann man nicht kaufen, in keinem Konsumtempel der Welt und dort auch nicht finden, um das schlechte Gewissen mit darin Erstandenem vor sich selbst und den damit Beschenkten zu übertünchen. 
Keine Angst erneut, das ist keine selbstgefällige Nabelschau sondern ein Erleben und Erfahren, das ich Ihnen Allen wünsche, so wie es sich mir eröffnet hat, ohne dass ich es mit altersgerechtem Arial 15 auf meine Email an den Weihnachtsmann geschrieben hätte. Dennoch freue ich mich wie ein junges Ferkel, wenn ich unter der Reizüberflutung des vorweihnachtlichen Geschenkestresses doch etwas finde, das das Herz der mir wichtigen Menschen erfreut. Ich trage es dann heimlich heim in den Stall, verstecke es dort gut vor dem kundigen Zugriff suchender Frauen (Sauen)-Hände und packe es liebevoll ein. Oft verspricht man sich, dieser Spirale des Kommerzes zumindest partnerschaftlich zu entsagen aber das ist schwer und fast immer erfolglos. Die Geschenke für die Ferkel passen eh´ entweder in Briefumschläge und dürfen dort auch vor Fülle knistern oder man bestellt sie mit  IBAN und PIG oder am besten im DHL-Direktversand bei Pigbay. Doch, ich wünsche mir auch etwas. Ich wünsche mir besser Zuhören zu können, ruhiger auch im Alltagswahnsinn und im Stress zu reagieren, denn Vieles ist davon so hausgemacht wie die wunderbare Erdbeermarmelade meiner Mutter. Ich wünsche mir noch besser zu werden als Partner, Freund, Vertrauter, Kummerkasten-Onkel, Bruder, Nachbar, Chef oder Untergebener. Ich wünsche mir, dass ich dem Alltag nicht nur physisch die Stirn bieten kann, sondern ihn auch durch Entspannen und Bescheidenheit seine Schrecken zu nehmen. Ich spüre, dass das mir gut tut so wie der warme Abendwind, der mir im Sommer am Meer die von silbernen Strähnen durchzogenen Haare zerzaust…. Und ich freue mich auch in diesem Jahr auf die Wärme, das Licht, die Liebe und die Gemeinschaft, die ich am Allerliebsten mit der Frau(Sau) meiner Träume erleben möchte. Und das noch viele, viele Male, bis auch ich und wir eine schöne Erinnerung für unsere Ferkel, Enkel-Ferkel und Ur-Enkel-Ferkel sein werden.
Frohe Weihnachten, Euer Eberhard